Das Gesundheitssystem wird krank gemacht.

Kritische Sichtweisen auf das profitorierntierte Gesundheitssystem und Infos zu alternativen gemeinwohl-orientierten Ansätzen

 
April 24
 
 
    Quelle: Gemeingut in BürgerInnenhand
 Betroffene berichten: „Wenn ihr uns nicht helft, dann liegen wir in euren Betten!“
Bündnis Klinikrettung veröffentlicht Videoserie: Warum wohnortnahe Krankenhäuser unabdingbar sind
Anlässlich der heißen Phase der Beratungen um die Krankenhausreform tritt das Bündnis Klinikrettung mit einer neuen Videoserie an die Öffentlichkeit. Hier kommen die Menschen zu Wort, die in der Debatte um die Krankenhausreform bisher weitestgehend ignoriert wurden: die Betroffenen. In kurzen Interviews berichten Krankenhausbeschäftigte und Patient*innen aus ländlichen Regionen über die Folgen von Krankenhausschließungen, die sie ganz persönlich erfahren haben und erklären, warum wohnortnahe Krankenhäuser für sie unabdingbar sind. Die Videoreihe ist ein dringlicher Appell gegen die geplante Krankenhausreform, mit der systematische Schließungen von kleineren Krankenhäusern vor allem auf dem Landvorgesehen sind.
Heute geht das erste Video online. Rentner und ehemaliger Selbstständiger in der Holzverarbeitung Horst Vogel schildert authentisch, wie das Umland von Hersbruck seit der Krankenhausschließung mit Unterversorgung kämpft. Seine Worte sind ein Weckruf, dass die Schließungen in strukturschwachen Kommunen uns alle betreffen:
    Wenn ihr uns nicht helft, dann liegen wir in euren Betten – wenn ihr uns nicht helft, dann liegen wir in eurem Krankenhaus!
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Hintergrund
Eine neue Untersuchung des Bündnis Klinikrettung über Krankenhausschließungen seit 2020 zeigt, dass die entstandenen Versorgungslücken kaum kompensiert werden. Bei 77% der Schließungen gingen die stationären Kapazitäten vollständig verloren, nur in 5% der Fälle wurden alle Betten erhalten – aber nicht vor Ort. Bei 32% der Schließungen wurde der Verlust der medizinischen Versorgung auch durch keine andere Ersatzmaßnahme – wie beispielsweise eine ambulante Einrichtung – ausgeglichen. In einem Drittel der Fälle fiel die Versorgung also nach den Schließungen komplett weg.
 
    Alle Zahlen zu Bettenverlust und Ersatzmaßnahmen entnehmen sie den Grafiken des Bündnis Klinikrettung: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2024/03/1_Ersatz-Krankenhausschliessungen_Grafiken_BKR.pdf
    Interaktive Deutschlandkarte zu geschlossenen und von Schließung bedrohten Krankenhausstandorten: https://www.initiative-klinik-erhalt.de/karte.php
 
 
 

 

 

Februar 24

 

 

 

Alte Leier: Busses vergebliche Reanimation der Krankenhausreform

    Quelle: Pressemitteilung vom Bündnis Klinikrettung 

Morgen stellt der Gesundheitsökonom Reinhard Busse seine neue Studie zur Veröffentlichung von Qualitätsdaten in der künftig zentralisierten Krankenhausversorgung vor. In der Studie geht es um die Sterblichkeit und Komplikationen bei einer engen Auswahl von Behandlungen. Diese Daten sollen in einem Transparenzregister erfasst werden, das den PatientInnen die Krankenhauswahl erleichtern und damit auch ihre Behandlung verbessern soll.

Das Transparenzregister gehört zur Zentralisierungsstrategie von Lauterbachs Krankenhausreform, die Busse maßgeblich geprägt hat. VertreterInnen von PatientInnen und kleinen Krankenhäusern blieben vom Reformprozess ausgeschlossen, was sich im Charakter des Reformvorhabens deutlich wiederspiegelt. Das Bündnis Klinikrettung, das zahlreiche lokale Initiativen gegen Krankenhausschließungen vereint, kritisiert, dass in der Studie ein sehr eng gefasstes Verständnis von Qualität der Krankenhausversorgung zugrunde gelegt wird. Kleine Krankenhäuser der Grundversorgung werden abgewertet, obwohl es sie im ländlichen Regionen dringend braucht.

Das Bündnis Klinikrettung hat ein Flugblatt mit acht Beispielen erstellt, die aufzeigen, warum wohnortnahe Kliniken unentbehrlich und unersetzbar sind: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2023/11/Warum-wohnortnahe-Kliniken-unentbehrlich-sind_Faltblatt_Gemeingut.pdf

 

Laura Valentukeviciute, Sprecherin vom Bündnis Klinikrettung:
„Mit der neuen Studie singt Busse seine alte Leier. Bereits 2019 verbreitete er als Lobbyist für die Bertelsmann-Stiftung einen verengten Qualitätsbegriff, um kleine Häuser schlechtzureden – mit den gleichen, vielfach widerlegten Argumenten. Aus seinen Interviews ist seine Ignoranz gegenüber den Nöten der Menschen auf dem Land bekannt, die ihr Krankenhaus durch seine Zentralisierungskonzepte einfach nicht mehr rechtzeitig erreichen werden. So ist es auch konsequent, dass er seine Studie gemeinsam mit einem Uniklinikleiter vorstellen möchte, dem die Realität der kleinen Krankenhäuser ebenso wenig bekannt sein dürfte.“

In seiner Studie hat Busse die Sterblichkeit nach der Behandlung von Herzinfarkt, Schlaganfall und Pneumonie sowie Komplikationen nach Hüftersatz und Gallenblasenbehandlung untersucht.

 

Dazu Joachim Flämig, Facharzt für Allgemeinmedizin, Vorstandsmitglied der Initiative „Rettet unsere Krankenhäuser Rosmann Breisach“:
„Zwar hat Herr Busse seine Krankheitenliste mittlerweile etwas erweitert, aber viele Krankheiten, vor allem häufige, lässt er auch jetzt völlig außer Acht. Ökonomen neigen dazu, Kosteneinsparungen nach vorne zu stellen, aber als Arzt weiß ich, dass in vielen Notfällen eine Versorgung innerhalb von 30 Minuten lebensentscheidend ist. Sei es, weil häufig nur die schnelle Diagnosesicherung und Erstversorgung das Überleben sichern kann, wie bei inneren Blutungen oder Herzinfarkt. Oder sei es, weil nur die zügige Erstuntersuchung eine lebensgefährliche Verschlimmerung verhindern kann, wie bei Blutvergiftung oder Gehirntrauma. Wohnortnahe Allgemeinkrankenhäuser bieten hierfür das notwendige Knowhow: Erfahrung, technische Ausstattung, Rettungswagen, Notaufnahmestation und Intensivmedizin. Außerdem sind sie täglich 24 Stunden erreichbar. Busses enger Fokus auf die Sterblichkeit verkennt zudem vollkommen, dass die PatientInnen, die das Krankenhaus nicht mehr rechtzeitig erreichen, in seinen Statistiken gar nicht vorkommen. Wir brauchen das Krankenhaus vor Ort – es geht um Leben und Tod.“

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https://www.gemeingut.org/alte-leier-busses-vergebliche-reanimation-der-krankenhausreform/

 

 

 

 

Januar 24

 

 

 

 

Deutsche Krankenhäuser: „Krisenmodus“

   Quelle: Makroskop - Herbert Storn | 15. Januar 2024

Seit 2020 wurden in Deutschland mindestens 66 Krankenhäuser geschlossen. Und die öffentliche Hand ist längst nicht mehr der maßgebliche Akteur der Krankenhauslandschaft.

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Aus Sicht der privaten Gesundheitsinvestoren kann sich das Ergebnis durchaus sehen lassen. Denn Krankenhausschließungen sind Teil eines Privatisierungsgeschehens, das nicht naturwüchsig, sondern von der Politik unterstützt ist. Während es heute rund 500 Krankenhäuser weniger gibt als noch vor 30 Jahren, ist die Anzahl der privaten Krankenhäuser stetig gestiegen.

Die öffentliche Hand ist nicht mehr der maßgebliche Akteur der Krankenhauslandschaft. 39 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser in Deutschland gehören mittlerweile privaten Trägern und 32 Prozent gemeinnützigen Trägern. Die öffentliche Hand bildet mit bloß 29 Prozent oder unter einem Drittel der Allgemeinkrankenhäuser das Schlusslicht.

1991 sah die Verteilung noch anders aus: Damals befanden sich nur 15 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser in privater Trägerschaft, 39 Prozent in freigemeinnütziger und 46 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser waren öffentlich. Die Schließungen der letzten 30 Jahre gingen also auf Kosten der öffentlichen und freigemeinnützigen Träger.

 

https://makroskop.eu/01-2024/krisenmodus/

 

 

 

 

August 23

 

 

 

 

Globale Investoren kaufen Alters- und Pflegeheime sowie Arztpraxen auf, setzen den Rotstift an und verkaufen sie mit Gewinn weiter.
     Quelle: Werner Vontobel auf Infosperber
Es gibt drei Methoden, mit denen internationale Investoren lokale und nationale Einrichtungen des Pflege- und Gesundheitswesens ausbeuten können: Die lukrativste ist die Gentrifizierung. Wie das konkret geht, hat der «Südwestrundfunk» (SWR) neulich am Beispiel des Alters- und Pflegeheims Leonberg in Böblingen in einer TV-Dokumentation aufgezeigt: Das Alters- und Pflegeheim Leonberg wurde vom Landkreis Böblingen gebaut und seit 1977 von der Samariterstiftung betrieben. 2017 schrieb der Landkreis das Heim zum Verkauf aus. Für 7,5 Millionen Euro wurde es vom Finanzinvestor INP gekauft.
Dieser forderte umgehend eine Verdreifachung der Pacht und drohte mit der Kündigung. Damit bestand die in diesen Fällen typische Ausgangslage: Hier das auf Rendite und Steueroptimierung getrimmte Firmenkonglomerat, deren Vertreter auch die Reporter des «SWR» nie zu Gesicht bekamen. Dort Menschen, die sich für ihre Mitmenschen verantwortlich fühlen.
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Die europäische digitale Identität wird aktuell von Behörden und Ministerien in Zusammenarbeit mit Unternehmen konkretisiert und in Pilotprojekten in der Praxis erprobt. Während es in der analogen Welt bislang in Deutschland undenkbar wäre, dass staatliche Stellen ein Unternehmen wie Vodafone oder Apple mit dem Betrieb eines Einwohnermeldeamtes oder gar eines ganzen Rathauses in einer Gemeinde beauftragen, scheint dies in einem digitalisierten Staat zum Standardmodell zu werden.
   Quelle: Multipolar
 
Im April 2023 wurde gemeldet, dass die EU-Kommission Reisepässe abschaffen und durch biometrische Grenzkontrollen ersetzen wolle. Seit der Corona-Krise würden Bürger „den Einsatz kontaktloser Technologien als grundlegende Voraussetzung für ein sicheres und reibungsloses Reisen“ erwarten. Ebenfalls im ersten Halbjahr 2023 wurde begonnen, Anwendungen für eine europäische digitale Identität, genannt EUDI-Brieftasche (englische Bezeichnung: Wallet), in Pilotprojekten zu entwickeln und zu erproben. Die EUDI-Brieftasche solle „die digitale Identifizierung von Bürgern und Unternehmen beim Zugang zu öffentlichen und privaten Diensten in ganz Europa revolutionieren, indem sie ihr Smartphone auf sichere und bequeme Weise nutzen.“ Die digitale Identität solle auf Smartphones oder anderen digitalen Endgeräten gespeichert werden, die bislang bekannterweise meistens mit einer von den US-Konzernen Google, Apple oder Microsoft dominierten Softwareumgebung betrieben werden. Das Ziel der EU sei es, bis 2030 allen in der EU lebenden Menschen Zugang zu der EUDI-Brieftasche zu gewähren.
 
90 Millionen Euro werden bis Anfang 2025 in die Entwicklung der europäischen digitalen Identität durch Pilotprojekte investiert, davon etwa 50 Prozent von der EU-Kommission und 50 Prozent von 250 öffentlichen und privaten Organisationen. In vier Pilotprojekten werden seit Frühsommer 2023 elf Anwendungsfälle für digitale Funktionen der EUDI-Brieftasche in Kooperation von Staat und Privatunternehmen ausgearbeitet:
      * Zugang zu staatlichen Verwaltungsdiensten
      * Bereitstellung von Reisedokumenten (Reisepass, Visa)
      * Bereitstellung einer digitalen Fahrerlaubnis
      * Bereitstellung von Bildungsnachweisen (Diplome, Abschlüsse, Zeugnisse)
      * Bereitstellung von Nachweisen beruflicher Identität (Betriebs- und Berufsausweise)
      * Zugang zu Sozialversicherungsleistungen
      * Bereitstellung von medizinischen Rezepten
      * Unterzeichnung von Verträgen
      * Registrierung von SIM-Karten für Mobilfunknetze
      * Eröffnung von Bankkonten
      * Ermöglichung von Online-Zahlungen
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Private Infrastruktur bereits im Gesundheitswesen erprobt
 
Die Telematikinfrastruktur (TI) genannte digitale Infrastruktur des Gesundheitswesens wurde 2019 mit der Drohung von prozentualem Honorarabzug für die Leistungserbringer eingeführt, wenn diese sich nicht daran anschließen. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Gematik GmbH, bei der die Bundesregierung per Gesetz die Mehrheit der Stimmrechte von den Institutionen der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens übernahm. Die Bundesregierung legt seitdem per Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung der Gematik die Einführung und Ausgestaltung neuer digitaler Dienste im Gesundheitswesen fest. Die technischen Anforderungen für neue digitale Dienste werden von dieser Firma spezifiziert. Die digitalen Dienste werden dann von Privatunternehmen entwickelt. Nach einer Zulassung durch die Gematik dürfen diese ihr kommerzielles Angebot am Ärzte, Kliniken und Apotheken innerhalb des gesicherten Netzwerks der TI anbieten.
 
Die Leistungserbringer werden durch Honorarabzug gedrängt, die neuesten digitalen Dienste bei den zugelassenen Unternehmen einzukaufen. In einer Datenbank der Gematik lässt sich recherchieren, welche Unternehmen bislang für welche Anwendungen der TI zugelassen wurden. So wurde der Auftrag für den Betrieb der TI an die Bertelsmann-Tochter Arvato vergeben.
 
Praxisausweis und Heilberufsausweis, die digital die Berechtigung eines Arztes oder anderer Leistungserbringer zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung nachweisen, werden nicht etwa durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) ausgegeben, sondern ebenfalls durch Privatunternehmen, die von der Gematik zugelassen wurden. Die Ausgabe der offiziellen Ausweise erfolgt durch die Unternehmen gegen eine Gebühr, nachdem diese sich bei der KV die Berechtigung des Antragstellers haben bestätigen lassen. Für die elektronische Patientenakte sind auch zwei Jahre nach der Einführung bislang nur drei Unternehmen als Anbieter zugelassen, darunter der US-Konzern IBM. Die Gesundheitsdaten in den elektronischen Patientenakten lagern nicht etwa auf Servern der gesetzlichen Krankenversicherungen, sondern jeweils auf den Servern der zugelassenen Privatunternehmen, die von den Krankenversicherungen auf Grund gesetzlicher Verpflichtung beauftragt werden müssen.
 
Für eine ähnliche IT-Architektur und Aufteilung der Funktionen zwischen staatlichen, halbstaatlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren bei der EUDI-Brieftasche spricht, dass auch die Integration von elektronischen Patientenkurzakten in die EUDI-Brieftasche angestrebt wird. Die Patientenkurzakte soll Daten wie Medikation, Impfungen, Vorerkrankungen, Laborbefunde und Krankenhausentlassungsberichte enthalten und europaweit verwendbar machen. Auch sind Ähnlichkeiten im Zeitplan der Weiterentwicklung der TI und der Einführung der europäischen digitalen Identität erkennbar. So werden Krankenkassen ab 2024 verpflichtet, an ihre Versicherten „auf Wunsch“ eine digitale Gesundheits-ID auszugeben, die ab 2026 die bisherige Versichertenkarte ablösen soll. Patienten können sich dann mit ihrem Smartphone und biometrischen Daten (Gesichtserkennung, Fingerabdruck) in einer Arztpraxis identifizieren, anstatt wie bislang mit der Versichertenkarte. Es wäre naheliegend, die Gesundheits-ID dann ab 2026 gleich in die EUDI-Brieftasche zu integrieren. Deshalb scheint es wahrscheinlich, dass die IT-Architektur der EUDI-Brieftasche zur Wahrung der „Interoperabilität“ an die Vorarbeiten im Gesundheitssystem mit seinen privatwirtschaftlichen Clouddiensten anknüpfen wird.
 
Risiken der Verschmelzung von staatlichen und kommerziellen Strukturen
 
Vermutlich werden sich die Beteiligten darauf einigen, die EUDI-Brieftasche als Kombination eines staatlichen und privatwirtschaftlichen „Ökosystems“ aufzubauen. Während es in der analogen Welt bislang in Deutschland undenkbar wäre, dass staatliche Stellen ein Unternehmen wie Vodafone oder Apple mit dem Betrieb eines Einwohnermeldeamtes oder gar eines ganzen Rathauses in einer Gemeinde beauftragen, scheint dies in einem digitalisiertem Staat zum Standardmodell zu werden. Wenn staatliches Verwaltungshandeln sich auf die Definition eines Leistungskataloges und die Zertifizierung von privatwirtschaftlichen Anbietern beschränkt, dann könnte es für Bürger in Zukunft zur Normalität werden, in ihrer Google- oder Apple-Wallet (wenn diese gemäß den Anforderungen der EUDI-Brieftasche zertifiziert wurden) ihre Ausweisdokumente zu verwalten, ihren Personenstand zu ändern oder ihren Umzug zu melden
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Strafen per Mausklick
 
Durch die Koppelung staatlicher und privatwirtschaftlicher Interessen bei der Digitalisierungsagenda profitieren beide Seiten: Behörden erhalten durch die Digitalisierung der Verwaltungsvorgänge einen Zuwachs an Möglichkeiten, Daten der Bürger mit wenig Personalaufwand zu überwachen und auszuwerten. Strafen und Sanktionen bei Gesetzesüberschreitungen ließen sich per Mausklick verhängen und eintreiben. Auch sind in einem digitalisierten Staat verbesserte Steuerungsmöglichkeiten der Bevölkerung zum Erreichen von politischen Zielen gegeben. Um „Klimaziele zu erreichen“, ließe sich beispielsweise eine Reduzierung der Mobilität durch Deaktivierung von Zugtickets, Hotelbuchungen oder des digitalen Führerscheins sehr gezielt zu definierten Zeiten oder für definierte Berufsgruppen umsetzen. Die EUDI-Brieftasche wäre vermutlich auch die Infrastruktur, über die Bürger ein Konto mit digitalem Zentralbankgeld direkt bei der Notenbank einrichten und verwalten müssten. Es bestehen Missbrauchsmöglichkeiten seitens staatlicher digitaler Macht, Kritik an der Regierung und Demonstrationen ohne öffentliches Aufsehen durch Entzug von Mobilität oder Finanzierungsquellen zu unterbinden und Oppositionelle ohne Gerichtsprozesse einzuschüchtern.
 
Auf Seiten der Privatwirtschaft ermöglicht die Public-Private-Partnership bei der Digitalisierung des Staates Zugang zu neuen Geschäftsfeldern. In einem Oligopol der wenigen staatlich zertifizierten Anbieter können hohe Gewinnmargen erzielt werden. Ein komplizierter Zulassungsprozess ist für globale Konzerne einfacher zu bewältigen, so dass es für kleinere, regionale Mitbewerber schwierig sein dürfte, auf die „Vertrauensliste von Vertrauensanbietern“ zu gelangen. Die Auswertung der zentral gesammelten Bürgerdaten verspricht ebenfalls Vorteile gegenüber Wettbewerbern. Durch die Abhängigkeit staatlicher Institutionen vom digitalen Know-how der Privatwirtschaft lassen sich Gesetzesvorhaben zum eigenen Vorteil leichter beeinflussen.
 
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Veränderte Rolle des Staates
 
Die staatliche und privatwirtschaftliche Auswertung der EUDI-Brieftasche könnte Grundlage für Modelle der Verhaltenssteuerung sein, wie sie in Konzepten zu „Social Credit Scores“ oder „persönlichen CO2-Budgets“ beschrieben wurden. Bislang wenig beachtet wurde die grundlegende Veränderung staatlicher Strukturen und staatlichen Handelns durch die geplante Digitalisierungstransformation. Wenn hoheitlich-staatliche Verwaltungsakte nicht mehr in Gebäuden des Staates von Angestellten des Staates durchgeführt werden, sondern über Softwareumgebungen und Apps der Privatwirtschaft, gespeichert auf Servern der Privatwirtschaft, dann verändert sich auch die Rolle des Staates in der Gesellschaft. Von einer regulierenden Instanz, die unabhängig von privaten Profitinteressen das gesellschaftliche Zusammenleben gewährleisten soll, würde der Staat zu einer Art Zertifizierungsstelle, die operativ abhängig ist von den Privatunternehmen, die sie zertifiziert und beauftragt. Nachdem Public-Private-Partnerships seit den 1990er Jahren für vorherige staatliche Dienstleistungen und Infrastrukturprojekte in Einzelfällen erprobt wurden – und in vielen Fällen zu Ungunsten der Bürger ausfielen –, wäre die Public-Private-Partnership vermutlich der Standard bei digitalisierten staatlichen Verwaltungsaufgaben.
 

 

 

 

 
 
10.8.23
 
 
 
Die altersstandardisierte Rate von Krebs-Neuerkrankungen in Deutschland sinkt. Doch in ärmeren Bevölkerungsgruppen ist der Trend längst nicht so deutlich – und die Unterschiede zwischen Arm und Reich werden größer. Eine Studie gibt Hinweise, warum.
  Quelle: Süddeutsche
Die soziale Ungleichheit in Deutschland beeinflusst die Rate an Krebs-Neuerkrankungen deutlich – und dieser Trend nimmt zu. Das berichtet ein deutsches Forschungsteam nach der Analyse von Daten aus acht Bundesländern. Demnach ist die altersstandardisierte Rate an neuen Krebserkrankungen zwar seit Jahren rückläufig. Dieser Trend falle aber in sozial besser gestellten Regionen wesentlich deutlicher aus als andernorts, schreibt das Team um Lina Jansen vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) im International Journal of Cancer.
Dass soziale Ungleichheit die Rate an Krebserkrankungen beeinflussen kann, belegen Studien aus Deutschland und vielen anderen Ländern.
 
 
 

 

 
Zunahme psychischer Erkrankungen »alarmierend«. Gesundheitssystem im Rückbau. Betroffene des Fatigue-Syndroms kämpfen um Anerkennung.
  Quelle: junge Welt
Die Lohnabhängigen brennen aus. Immer mehr sind im Job dauerhaft überlastet, kommen dabei mit dem Geld nicht mehr über die Runden, und außerdem bricht die Grundversorgung an allen Ecken und Enden zusammen. Ein Termin beim Arzt oder Bürgeramt entspricht vielerorts einem Fünfer im Lotto, ein Kindergartenplatz kommt einem Sechser gleich. Und so wird einer wachsenden Zahl von Bundesbürgern nach langer Zeit im Dauerstress der Stecker gezogen. Sie kommen von heute auf morgen nicht mehr aus dem Bett. Die Fehltage wegen seelischer Leiden sind in der ersten Jahreshälfte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 85 Prozent gestiegen und damit so stark wie nie in der jüngeren Vergangenheit, ergab eine Auswertung, die am Mittwoch von der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) vorgestellt wurde. Auf 100 Mitglieder der Kasse kamen im ersten Halbjahr 303 Ausfalltage wegen seelischer Leiden – nach 164 Tagen im ersten Halbjahr 2022. »Diese Entwicklung ist alarmierend«, sagte KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick: »Wir haben schon jetzt fast das Niveau des gesamten Jahres 2022 erreicht«. In diesem wurden bei der Kasse 339 Fehltage pro 100 Mitglieder registriert, 2020 und 2021 waren es jeweils 298 Tage, 2019 nur 274. Der Trend scheint stabil. Die psychischen Erkrankungen würden schwerer und langwieriger, teilte die Kasse weiter mit. Am häufigsten würden mit 41 Prozent akute Belastungsreaktionen und sogenannte Anpassungsstörungen diagnostiziert. Am längsten dauere die Behandlung von wiederkehrenden Depressionen bzw. depressiven Episoden; hier fielen die Patienten im ersten Halbjahr im Schnitt für 112 bzw. 71 Tage aus. Nach einer Umfrage, die die Kasse beim Forsa-Institut in Auftrag gab, das im Mai 1.000 Menschen befragte, fühlen sich 90 Prozent der Erwerbstätigen »gelegentlich gestresst«, rund die Hälfte »häufig« oder »sehr häufig«. Für knapp 60 Prozent der Berufstätigen hat der Stress in den vergangenen ein, zwei Jahren zugenommen.
 

 

 

 

 

 

 

März 23

 

 

Ritter Karl und die Invasion der Heuschrecken

Quelle: Hartmut Reiners in Makroskop
Private Equities und andere Kapitalfonds haben das Gesundheitswesen als profitables Anlagefeld entdeckt. Die Journalistin Christina Berndt promoviert Karl Lauterbach zum Retter der Arztpraxen vor dieser Heuschreckenplage. Aber von ihm haben die Investoren nichts zu befürchten.
Karl Lauterbach hat nicht nur bei Twitter, sondern auch in den sich als seriös verstehenden Medien Fans, die in ihm einen sich bis in die späte Nacht um die Probleme des Gesundheitswesens kümmernden Politiker sehen. Dazu gehört Christina Berndt von der Süddeutschen Zeitung, die ihn am 17. Februar 2023 als „Arzt Ihres Vertrauens“ und Kämpfer gegen die Invasion von profitgierigen Investoren im Gesundheitswesen präsentierte und dabei die Grenzen zur Hofberichterstattung schrammte. Weil es „an allen Enden und Ecken brennt im ausgemergelten deutschen Gesundheitssystem“, habe Lauterbach nicht einmal Zeit für die Einrichtung seines neuen Büros und überlasse sie seinem Stab. Ganz so, als würden Ministerinnen und Minister sonst ihre Büroausstattung höchstpersönlich einkaufen und in ihren Amtszimmern platzieren. (…)
Das nicht nur von Christina Berndt gefürchtete Interesse von Kapitalfonds am Gesundheitswesen ist keineswegs neu. Seit Jahren berichten TV-Magazine, Wirtschaftsredaktionen und gesundheitspolitische Fachmedien über Anlagestrategien von Investoren, die sich in Arztpraxen, Krankenhäuser und vor allem Medizinische Versorgungszentren (MVZ) einkaufen. Das geschieht entweder als dauerhafte Kapitalanlage oder als Buy and Build-Modell von Private Equities, die Arztpraxen erwerben, zu ertragreichen MVZ ausbauen und dann nach ein paar Jahren mit hohem Gewinn verkaufen.
Darüber kann sich nur wundern, wer nicht mitbekommen hat, dass sich das Gesundheitswesen zur größten Dienstleistungsbranche entwickelt hat. An seinem 440 Milliarden Euro (2020) umfassenden Umsatz wollen anlagesuchende Kapitalfonds teilhaben, für die es sich mit seinem stabilen Wachstum von jährlich vier bis fünf Prozent geradezu aufdrängt. Es ist klar, dass die Investoren sich nicht für eine verbesserte medizinische Versorgung interessieren, sondern für hohe Renditen. Die können wegen der weitgehend administrativ gesteuerten Vergütungen und Preise im Gesundheitswesen nur in ausgewählten Sektoren erzielt werden. Für diese Rosinenpickerei bieten die Strukturen unseres Gesundheitswesens komfortable Möglichkeiten, wie noch gezeigt wird.

https://makroskop.eu/08-2023/ritter-karl-und-die-invasion-der-heuschrecken/

 

 

Januar 23

 

 

Der Zugriff auf den Körper

  Quelle: Nachdenkseiten

In ihrem neuen Buch „Zeitenwende. Corona, Big Data und die kybernetische Zukunft“ beschäftigt sich die Wiener Wirtschaftshistorikerin Andrea Komlosy mit dem Vormarsch des medizinisch-pharmakologisch-biotechnischen Komplexes, der neue Leitsektoren ausbildet. Mit ihm, so die Versprechungen der Apologeten einer schönen neuen Welt, vervollkommne sich nicht nur der Mensch, sondern eröffne sich auch die Möglichkeit, die globale Krise des Kapitalismus zu überwinden. Corona bot dazu die Gelegenheit und den Anschub. Die zunehmende Ablieferung von Verhaltensdaten während der Nutzung von digitalen Kommunikationstechnologien und Plattformen liefert den Rohstoff, der im Med-Pharma-Komplex zu neuen Produkten entwickelt wird. Diese sind untrennbar mit Kontrolle verbunden, sei es mit der Überwachung von Körperfunktionen oder mit der Heranziehung der Daten bei der Entscheidung, wer ein Lokal betreten, ins Ausland reisen oder eine Stelle besetzen darf. Der Zugriff auf den Körper ist ein wesentlicher Bestandteil zur Herstellung eines von den neuen Leitsektoren und ihren politischen Vertretern gewünschten „neuen Menschen“. Im Folgenden eine Leseprobe aus dem Kapitel „Der Zugriff auf den Körper“.

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https://www.nachdenkseiten.de/?p=92492

 

 

 

Verband sieht jede dritte Klinik wegen Lauterbachs Reform vor dem Aus

  Quelle: Welt Online

Die Reform der Krankenhausfinanzierung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sowie die hohe Inflation werden zur Gefahr für viele deutsche Krankenhäuser. Eine „unveränderte Umsetzung der Empfehlung der Regierungskommission“ werde dazu führen, dass „bis zu ein Drittel der Krankenhäuser, vor allem kleinere Krankenhäuser, geschlossen“ oder für ihr Überleben auf ein höheres Krankenniveau gehoben werden müssten – wobei die Schließung die „wahrscheinlichste Option“ sei, sagt Thomas Bublitz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK), zu WELT AM SONNTAG. Insgesamt gibt es deutschlandweit knapp 1900 Krankenhäuser.

Im Dezember hatte der Bundesgesundheitsminister seinen Reformvorschlag präsentiert und ihn dann vor wenigen Tagen aktualisiert. Die Ideen seiner Expertenkommission sollen innerhalb von fünf Jahren umgesetzt werden. Doch selbst wenn die Reform die Finanzierung der Krankenhäuser verbessern würde, käme sie laut Kritikern deutlich zu spät.

 

https://www.welt.de/wirtschaft/article243200165/Insolvenz-Verband-sieht-jedes-dritte-Krankenhaus-wegen-Reform-bedroht.html

 

 

 

Todbringende Medikamente
Quelle: Frankfurter Rundschau   Von: Bernd Hontschik

 Gerade sind sehr viele Kinder krank. Auch deshalb ist es schwerer an Medizin zu kommen.
Die Versorgung mit Arzneimitteln wird zum zunehmenden Problem und die Globalisierung fordert Opfer unter kranken Kindern.

Frankfurt – Erst war es nur ein vorübergehender Engpass. Hustensäfte für Kinder seien betroffen, außerdem Schmerzmittel wie Ibuprofen. Wieso gerade Hustensäfte betroffen waren, blieb im Dunkeln. Die Probleme mit den Lieferketten wurden größer, und dann war es leer in manchen Regalen der Apotheken. Es sollte aber noch schlimmer kommen.

Globalisierung begünstigt Arzneiengpässe
Es ist jetzt sieben Jahre her, als bei 13 Impfstoffen und 26 Medikamenten erstmals massive Lieferengpässe auftraten. Es betraf so wichtige Medikamente wie Antibiotika, Blutdrucksenker, Krebsmedikamente und Parkinson-Mittel. Es fehlten Impfstoffe gegen Kinderlähmung, Tetanus, Diphterie und Keuchhusten. Geschehen ist in diesen sieben Jahren nichts. „Augen zu und durch!“, das half eine Zeitlang, bis das Problem jetzt richtig eskalierte.

Das Problem heißt Globalisierung, Konkurrenz und Ausbeutung. Das Problem heißt Profitgier. Das Problem heißt Dumpingpreise. Das Problem heißt Produktion in „Billiglohnländern“, besonders in Asien. Indien und China haben unsere Arzneimittelversorgung inzwischen fast vollständig in der Hand. In Europa findet keine nennenswerte Arzneimittelproduktion mehr statt. In Deutschland wird kein einziges Antibiotikum mehr hergestellt, seit Sandoz im Jahr 2015 seine letzte Fabrik in Frankfurt-Höchst geschlossen hat. Auf unseren Medikamentenschachteln steht trotzdem „Made in Germany“. In der Packungsbeilage muss nur das Land genannt werden, in dem der letzte Produktionsschritt vollzogen wurde. Im Fall von Arzneimitteln ist das die Kontrolle und Verpackung. „Made in Germany“ ist also nichts weiter als eine Irreführung. Ein Witz.

Medikamente werden unter verheerenden Bedingungen produziert
Das ist aber noch nicht alles. Vor fünf Jahren schockierte die ARD mit einem Bericht aus Hyderabad, der indischen Welt-Arzneimittel-Hauptstadt. Hunderte von Arzneimittelfirmen hatten sich dort angesiedelt. Sie arbeiten in einem Moloch aus Schwefelgestank und fauligen Abwasserkanälen, transportieren ihr Wasser in rostigen Tanklastern, dazwischen Schafe und heilige Kühe auf den staubigen Straßen der Stadt.

Mit „minimaler Kontrolle und maximaler Förderung“ wirbt Hyderabad für seine Industrieansiedlungen! Wasserproben rund um diese Arzneimittelfabriken zeigten bis zu tausendfach höhere Antibiotikakonzentrationen als in der freien Natur jemals zuvor gemessen worden waren. So wachsen in den Abwässern rund um diese Fabriken multi-resistente Keime und Pilze heran, die über die Nahrungskette zum Menschen gelangen, von Reisenden mitgebracht werden und mit keinem Antibiotikum oder Antimykotikum der Welt mehr behandelbar sind. Das sieht man unseren sauberen Arzneimittelschachteln natürlich nicht an.

Arzneimittel werden zur wachsenden Bedrohung
Aber auch das ist noch nicht alles. Im Oktober 2022 warnte die WHO vor vier Husten- und Erkältungssäften, weil sie mit dem Tod von 70 Kindern in Gambia in Verbindung gebracht wurden. Die Kinder waren an Nierenversagen gestorben. Die Regionalregierung im indischen Haryana ordnete die Einstellung der Hustensaftproduktion an. Im November 2022 wurde in Indonesien zwei indischen Unternehmen die Lizenz entzogen: Innerhalb von knapp zwei Monaten waren dort 200 Kinder an akutem Nierenversagen gestorben, nachdem sie Sirupmedikamente eingenommen hatten. Sie waren mit giftigem Diethylenglykol und Ethylenglykol aus Frostschutzmitteln gepanscht. Im Dezember 2022 wurde die Hustensaftproduktion einer weiteren indischen Firma gestoppt, nachdem in Usbekistan 20 Kinder gestorben waren. Unser sogenannter Engpass ist also in Wirklichkeit ein Produktionsstopp. Da war es vielleicht doch ein Segen, dass es hierzulande keinen Hustensaft mehr gab?
https://www.fr.de/panorama/todbringende-medikamente-92014090.html

 

 
 
Dezember 22
 
 
 
Quelle: Welt Online
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ist im deutschen Gesundheitssystem ein millionenschweres Monopoly-Spiel um Krankenhäuser entbrannt. Getätigt werden die Spielzüge neben privaten Klinikketten maßgeblich von Private-Equity-Finanzinvestoren, despektierlich auch Heuschrecken genannt.
Was diese Branche eint: Sie agiert bei ihren Geschäften im Gesundheitsbereich gerne unbemerkt. Nicht wenige der Investoren haben ihren Sitz in Offshore-Zentren wie den Cayman Islands.
Die Einkaufstour des Großkapitals wurde auch durch die Pandemie und die Belastung der Krankenhäuser nicht unterbrochen.
So waren laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC „Finanzinvestoren oder Strategen aus dem Ausland auch in 2021 die treibenden Marktteilnehmer und haben weiterhin Plankrankenhäuser oder Krankenhäuser mit Versorgungsvertrag“ erworben.
Die Klinik Sankt Elisabeth in Heidelberg wurde durch Patient 21 aufgekauft, die Elbe-Jeetzel-Klinik im niedersächsischen Dannenberg ging an die Capiton AG, die Sana Klinik Nürnberg an Ergon Capital. „Daneben hat es vermutlich noch weitere Krankenhausübernahmen durch Finanzinvestoren gegeben, die nicht öffentlich gemacht wurden“, heißt es bei PwC.
Verlierer bei dem Millionenpoker ist nicht selten der Patient. Politiker, Verbände und Bürgerinitiativen warnen vor einer Ausdünnung der medizinischen Versorgung und den Sparplänen der Investoren.
Denn die Kliniken selbst sind für die Finanzakrobaten meist nur Mittel zum Zweck. „Das Krankenhaus ist aus regulatorischen Gründen der Träger für Finanzinvestoren, um am Gesundheitsmarkt zu investieren und medizinische Versorgungszentren betreiben zu können“, heißt es von PwC.

https://www.welt.de/wirtschaft/article242735747/Krankenhaus-Schliessungen-So-schlachten-Investoren-deutsche-Kliniken-aus.html

 

 

 
September 22
 
 
Der Psychologe Christian Schubert über die hierarchische Situation zwischen Arzt und Patient, die Ideologie der „Maschinen-Medizin“, die „unbewusst darauf ausgerichtet ist, den Menschen krank zu halten“ sowie den „absoluten Nonsens, Technik über die Natur zu stellen“. Schubert betont demgegenüber den Wert sozialer Beziehungen als „komplexes, mächtigstes Elixier für Gesundheit und Leben“.
Quelle: Multipolar
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Multipolar: Die Effektivität und die Wirtschaftlichkeit stehen an erster Stelle, aber das genaue Gegenteil wird im Grunde schon seit Jahrzehnten gefordert: die ganzheitliche Betrachtung des Menschen. In der Medizin bedeutet das vor allem den Patienten einzubeziehen, was heutzutage kaum mehr der Fall ist. Für ein Gespräch mit dem Arzt hat ein Krankenkassen-Patient in der Regel fünf bis zehn Minuten.
 
Schubert: Absolut richtig. Natürlich muss man sich darüber Gedanken machen, warum das so ist. Dafür gibt es sehr viele Faktoren. Wir befinden uns wie unter einer Glocke dieser von mir betonten erkenntnistheoretischen Irrtümer der Medizin, die letzten Endes über die Abspaltung von Geist, Körper und Seele zu einer Mechanisierung des Menschen geführt haben und der Passivität und Abhängigkeit des Patienten Vorschub leisteten. Also der Patient gerät nicht nur in eine beziehungslose Situation innerhalb eines mechanisierten Gesundheitssystems, sondern wird auch vom Arzt in vielen Fällen mehr als Maschine denn als Mensch gesehen. Ohne den Schulmedizinern zu nahe zu treten, denn diese sind Opfer dieser Unkultur. Es sind nur ein paar, die in ihrer Unzufriedenheit mit dem System ausscheren und Fort- und Weiterbildungen betreiben, die sie dann zu einer Komplementär- und Alternativmedizin bringen, zur Psychosomatik, et cetera. Aber gelernt werden die so wichtigen Beziehungsaspekte im Medizinstudium kaum.
 
Also ja, es sind viele Faktoren, die in einer komplexen Form zusammenspielen. Es gibt zudem Trittbrettfahrer, die enorme Vorteile daraus ziehen, dass der Patient nicht selbstverantwortlich in seiner Gesundheit und im Falle einer Krankheit auch im Gesundwerden beteiligt ist, sondern letzten Endes passiv ist und in Abhängigkeit von einem Gesundheitssystem gehalten wird. Er ist ein Rezipient von medizinischen Leistungen, ohne selber an der eigenen Genesung teilnehmen zu können. Diese Abhängigkeit ist ein Machtverhältnis. Die hierarchische Situation zwischen Arzt und Patient läuft dann nicht nur in Richtung Mechanisierung, sondern auch Ökonomisierung. Hier wird unglaublich viel Geld gemacht mit der Abhängigkeit des Patienten, der passiv den Arzt schalten und walten lässt, wie er will und damit noch mächtigere Strukturen in unserer Gesellschaft bedient, wie zum Beispiel die Industrie, die als Trittbrettfahrer dieses System entsprechend ausnutzt. Da sind wir wieder bei der Kultur und einer Entfremdung und Dehumanisierung unseres Systems, so dass der Arzt letzten Endes seinen so wesentlichen hippokratischen Eid verletzt und dem Patienten schadet.
 
Multipolar: Warum, meinen Sie, bleibt der Großteil der Patienten in dieser Abhängigkeit?
 
Schubert: Das ist für mich vielleicht sogar einer der wesentlichsten Aspekte: Warum steht der Patient nicht auf? Warum wehrt er sich nicht? Warum macht er mit? Da kommen Aspekte zum tragen, die wir aus der Psychosomatik oder extrem auch aus der Psychotraumatologie kennen: Menschen, die psychisch krank sind, möglicherweise traumatisiert sind, neigen dazu, sich nicht mehr ganzheitlich wahrzunehmen. Sie spalten Gefühle und körperliche Empfindungen, die mit den belastenden Erfahrungen verbunden sind, ab, verbannen sie aus ihrem Bewusstsein. Zu schmerzhaft ist das Erlebte. Das heißt, der Patient ist unbewusst nicht daran interessiert, seine Traumatisierungen aufzuarbeiten, weil es zu schmerzhaft ist, sich seiner psychischen Problematik zu stellen. Er wehrt ab. Der Arzt wiederum hat es nicht gelernt, mit den Traumatisierungen seiner Patienten angemessen umzugehen, hat Angst vor der Beziehung mit dem Patienten und steckt zudem selbst in Abhängigkeiten, sei es ökonomischer oder karrieretechnischer Natur.
 
Es treffen also zwei Systeme aufeinander. In diesem Fall Arzt und Patient, die beide nicht das Knowhow haben, die Psyche und die kausalen Hintergründe einer Krankheit anzusehen und entsprechend zu bearbeiten und/oder ihre Ängste abwehren. Wir nennen das dann Kollusion, beide sind unbewusst in eine gemeinsame Abwehr verstrickt. Und so wird am Ende nur das Symptom gesehen und über Medikamente, Operationen und andere technische Hilfsmittel versucht zu beseitigen. Wenn wir die Ursache von Krankheit aber nicht wirklich anschauen – und das kann nur ganzheitlich stattfinden –, dann kommt es zur Chronifizierung von Krankheit. Und damit natürlich haben die Trittbrettfahrer, die Gerätemedizin, die Pharmaindustrie und andere Profiteure noch einen viel größeren Reibach. Ich werfe der Schulmedizin vor, dass sie über das reine Verringern und Entfernen von Symptomen letzten Endes am Elend der Erkrankungen kausal beteiligt ist. Es ist die Ideologie der Schulmedizin, der Maschinen-Medizin, die unbewusst darauf ausgerichtet ist, den Menschen krank zu halten.
 
Multipolar: Sie sprachen eben von der Aufklärung. Es wäre also eine Aufklärung vonnöten, im Sinne der Ausbildung der Mediziner und im Sinne der Ausbildung der Patienten selbst. Wenn ein Patient mehr über sich selbst und seinen Körper weiß, kann er auch die Kraft aufbringen, etwas daran ändern zu wollen?
 
Schubert: Absolut richtig, was Sie sagen. Aber das System wird entsprechend aufrechterhalten. Wir haben natürlich noch andere Player, wie wir in der Corona-Zeit gesehen haben, von denen keine Aufklärung ausgeht, im Sinne von Informations- bzw. Wissenstransfer, noch schlimmer, von denen Fehlinformationen ausgehen. Das sind auf jeden Fall die Politik und die Medien. Darin sah ich auch in den letzten zwei bis drei Jahren meine Hauptaufgabe: die Menschen darüber zu informieren, dass es noch andere Narrative gibt, wie man Corona lesen kann, und vor allem jene zu stärken, die aufgrund ihres Nichtwissens rein intuitiv gehandelt haben. Viele Kritiker der Corona-Maßnahmen konnten ihre Kritik kaum begründen. Sie haben aus dem Bauchgefühl heraus agiert und sich geweigert, entsprechende Maßnahmen an ihrem Körper stattfinden zu lassen. Das Ganze aus der erweiterten Medizin heraus zu begründen, das war und ist meine Aufgabe. Also die Menschen im ganzheitlichen Sinn aufzuklären und neue Narrative anzubieten, die nicht nur gleichberechtigt sind zu den Narrativen der Schulmedizin, sondern meines Erachtens höher stehen. Denn sie stellen den Menschen in den Mittelpunkt und nicht das Virus.
 
Ich halte es für absoluten Nonsens, Technik über die Natur zu stellen. Aber genau das wurde in den letzten Jahren massiv propagiert und damit auch der Maschinen-Medizin weiter Vorschub geleistet; nur jetzt in einer so brutalen und die ganze Welt umspannenden Form, dass man tatsächlich Angst davor bekommen muss, was uns bevorsteht, wenn das weiter so funktioniert, wie in den letzten zwei bis drei Jahren. Es handelt sich hier um eine Erfolgsstory der Mächtigen. Sie haben es geschafft, 70 bis 80 Prozent der Menschheit zu impfen und so weit zu bringen, dass viele sich auch weiter dafür begeistern lassen. Ein großer Prozentsatz der Menschen schreit nach der vierten Impfung oder dem Booster – eine kapitalistische Erfolgsstory. Da brauche ich gar keine anderen möglichen Hintergründe. Mir reichen die Irrtümer der Schulmedizin und die davon profitierende Industrie, um Corona zu erklären. Ich stehe absolut für meine Kritik an der Schulmedizin ein.
 
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Heute können sich die Menschen, die während der Pandemie Teil eines Systems waren, welches gegenüber Andersdenkenden brutal und menschenverachtend agiert hat, nicht mehr rausreden, dass sie nicht wussten, was da vor sich geht. Es gibt das Internet, es gibt Zeitungen und andere Medien, die durchaus auch eine andere Meinung vertraten. Zu offensichtlich wurde sozialer Druck ausgeübt, ausgegrenzt und sonst wie gequält, wenn man dem gängigen Corona-Narrativ nicht entsprach und sich nicht impfen lassen wollte. Herausreden mit Nicht-Wissen ist also nicht möglich, aber zumindest können diese Menschen einsehen lernen, dass sie etwas antrieb, das ihnen nicht bewusst war. Dem müssen sie sich jetzt stellen.
 
Es können Ängste, Gier nach Macht und Geld, Rechthabenmüssen und Schuldgefühle sein, alles Aspekte, die es Menschen schwermachen können, zu erkennen, dass sie in ein Verbrechen verwickelt sind. Wenn aber erkannt wird, dass es unbewusste Kräfte gibt, die einen so weit bringen, zuzusehen oder, noch schlimmer, mitzumachen, Menschen Böses anzutun, dann sind wir bei einem großen Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft: nicht nur das Sichtbare in den Mittelpunkt zu stellen, sondern im Gegenteil das Unbewusste als die mächtigste Instanz unseres Denkens, Fühlens und Handelns zu sehen; uns immer wieder zu fragen, was treibt uns wirklich an? Wenn das passiert, haben wir einen ganz großen Schritt in Richtung einer neuen Kultur gemacht; also nicht nur alles in einem großen Zusammenhang stehend zu betrachten, im Sinne einer ganzheitlichen Sichtweise, sondern darüber hinaus das Unbewusste als eine der größten Erkenntnisse entdecken und sie hoffähig in unserer Gesellschaft machen – so dass jedes Kind ganz früh im Leben ein Wissen darüber erlangt. Das würde einen enormen Fortschritt für die Gesellschaft und Menschheit bedeuten und einen unglaublichen Effekt auf die Medizin haben.
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Multipolar: Sie machen in Innsbruck seit fast 30 Jahren Einzelfall-Forschung.
 
Schubert: Ja, die sogenannte integrative Einzelfallstudie, die sich bereits Jahrzehnte vor Corona vehement gegen eine mechanisierte Forschungsmethodologie wendet. Denn das, was wir hier diskutiert haben, ist nicht nur in der klinisch diagnostischen Medizin ein Thema, sondern – noch viel schlimmer – in der Forschung. Das heißt, so wie die derzeitige Schulmedizin, Maschinen-Medizin, falsch ist, ist auch die medizinische Forschung falsch, die derzeit betrieben wird. Hier gibt es genauso die erkenntnistheoretischen Irrtümer, die ich erwähnt habe. Ein Desaster. Die medizinische Forschung mit ihren Goldstandards – bist du dabei, dann laden wir dich herzlich ein und du bekommst Geld und Macht in unserer medizinischen Ideologie. Wenn du das aber nicht machst, wirst du ausgeschlossen. Diese Mechanismen existieren in der Forschung und Wissenschaft massiv. Aber darüber redet überhaupt niemand. Die wenigsten kritisieren die Forschung selbst.
 
Im Prinzip müsste das längst aufgedeckt werden, diese ganzen Bereiche, in denen die maschinenmedizinische Forschung mit ihren lebensfernen Forschungsdesigns letzten Endes zu Ergebnissen führt, die falsch, verzerrt und vor allem inkonsistent sind. Wir haben zuhauf inkonsistente Ergebnisse in der medizinischen klinischen Forschung, weil die Forschungsdesigns und -zugänge nicht der Komplexität von Menschsein und Bedeutung entsprechen. Da muss es eine Revolution geben. Wenn man heute jemandem sagt, der durchaus kritisch ist, wir machen Einzelfall-Forschung, dann kommt als allererster Gedanke: Das lässt sich ja nicht verallgemeinern. Da ist sie aber schon wieder, die Ideologie. Wir wurden indoktriniert, zu glauben, dass wir verallgemeinern müssen in der medizinischen Forschung. Aber verallgemeinern heißt Komplexitätsreduktion, und das heißt die Komplexität des Menschen nicht mehr in den Mittelpunkt der medizinischen Forschung zu stellen, sondern offensichtlich nur mehr verallgemeinerbares Wissen und entsprechende Erkenntnis. Das ist Reduktionismus, vom weniger Komplexen, nämlich von lebensfernen Forschungsgoldstandards, aber auch vom Tier und vom Laborexperiment auf höher komplexe Kulturwesen zu schließen. Das ist schlicht und ergreifend falsch.
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August 22

 

 

Privatisierte Uni-Spitäler: Ein Skandal ohne Ende

Quelle: infosperber

Im Land Hessen hatten CDU und FDP Investitionen gescheut und eine Spitalgruppe an einen Konzern verschachert. Jetzt wird’s teuer.

Über den Verkauf der Universitätskliniken Marburg und Giessen (heute 86 Spitäler und Institute mit 11’000 Mitarbeitenden) an den börsennotierten Konzern Rhön-Klinikum AG (Umsatz 2011: 1,4 Milliarden Euro) ist in den vergangenen sechzehn Jahren eigentlich schon alles gesagt worden. Vorher hatte die Hessische Landesregierung ihre gesetzlichen Verpflichtungen der Krankenhausfinanzierung jahrelang und so lange ignoriert, bis die Kliniken in ihrer Bausubstanz soweit heruntergekommen waren, dass CDU und FDP sie für den Spottpreis von 116 Millionen Euro an den Rhön-Konzern verkaufen konnten, der seinen Aktionären seitdem zehn Prozent Rendite zukommen lässt. Die Landesregierung unter Roland Koch brüstete sich lauthals, den Landeshaushalt von der millionenschweren Last notwendiger Investitionen und Unterhaltskosten befreit zu haben. Was dem ärztlichen und pflegerischen Personal damit angetan wurde, interessierte nicht. Was das für die Medizin bedeutete, interessierte auch nicht. Heute wissen wir aber, dass alles sowieso ganz anders gekommen ist. Denn niemand weiss ja, was in dem Kaufvertrag von 2006 eigentlich vereinbart worden ist. Der Vertragstext ist nach wie vor geheim. Warum ist dieser Vertrag wohl geheim? Misstrauen ist angesagt.

Versprechungen wurden nicht eingehalten, vertraglich Vereinbartes gekündigt, Druckversuche ausgeübt und die Öffentlichkeit immer wieder getäuscht, aber das Schlimmste ist: Seitdem lässt sich jede Hessische Landesregierung am Nasenring durch die Manege führen. Nicht einen einzigen Euro hat der Verkauf der Universitätskliniken erspart, im Gegenteil. Vor kurzem hat die Hessische Landesregierung sogar eine halbe Milliarde Euro für den Konzern locker gemacht, um die privatisierten Universitätskliniken «zu fördern»!

...Und so ist die Partikeltherapie in Marburg ein eklatantes Beispiel dafür, was mit der Medizin passiert, wenn sie rote Zahlen schreibt: Sie wird gestrichen, geschlossen und eingestellt. Ein Versorgungsauftrag oder die Gesundheit der Betroffenen sind dabei gleichgültig.

Was hier geschieht, ist nicht verboten. Es folgt der einfachen Logik jedes Unternehmens: Kosten senken, Einnahmen steigern, Gewinne ausschütten. Ob das Klopapier, Elektroautos oder Gesundheitsleistungen sind, ist dem Kapital gleichgültig, Hauptsache es vermehrt sich. Wenn Krankenhäuser in Konzernbesitz geführt werden wie jedes andere Unternehmen, dann hat die Medizin abgedankt. Es gibt nur einen Ausweg, und das ist die Gemeinnützigkeit. koste es, was es wolle.

https://www.infosperber.ch/gesundheit/public-health/privatisierte-uni-spitaeler-ein-skandal-ohne-ende/

 

 

 

Ausgeklatscht

Quelle: Nachdenkseiten

Als zu Beginn der Corona-Pandemie die prekäre Personalsituation in den deutschen Kliniken zu einem öffentlichen Thema wurde, bestand für eine kurze Zeit die Chance, dass sich wirklich nachhaltig etwas am skandalösen Pflegenotstand ändern könnte. Doch die Hoffnung währte nur kurz. Es gab Applaus und warme Worte, geändert hat sich seitdem jedoch nichts. Nun liegt endlich der erste Referentenentwurf mit Eckpunkten für eine bessere Pflegepersonalregelung vor. 2025 soll das Gesetz dann allgemein gelten. Doch wie es derzeit aussieht, weist der Gesetzentwurf so viele Lücken auf, dass Karl Lauterbach vielleicht besser den Bundestag auffordern sollte, noch einmal eine Runde für die Pflegekräfte zu klatschen.

Um was geht es eigentlich bei diesem Gesetz? Bislang ist es den Krankenhäusern de facto freigestellt, wieviel Pflegepersonal sie einsetzen. Personal kostet Geld und da die Erträge des „Wirtschaftsunternehmens“ Krankenhaus nicht an die Krankenpflege gekoppelt sind, besagt die betriebswirtschaftliche Logik, dass ein niedriger Personalstand gut für Rendite ist. Gerade für die renditeorientierten privaten Krankenhauskonzerne ist dies der entscheidende Punkt. Vergessen Sie das ganze Gerede von Qualität und sozialer Verantwortung – es geht ganz profan ums Geld.

Wohin diese Fehlentwicklung geführt hat, beobachten wir seit Jahren. Immer mehr Mitarbeiter verlassen die „Knochenmühle“ Krankenhaus und junge Menschen haben verständlicherweise immer weniger Lust, einen Beruf in der Pflege zu erlernen. Versuche, die Lücke mit ausländischen Pflegekräften zu schließen, schlugen fehl. Wer qualifiziert ist, geht in ein Land, in dem der Job besser bezahlt ist und die Arbeitsbedingungen besser sind. Wer nicht ausreichend qualifiziert ist, findet zwar in Deutschland einen Job, wirft aber oft auch genauso schnell wieder hin und kehrt in sein Heimatland zurück. Sprach- und kulturelle Barrieren tun ihr Übriges.

So gibt es in der Tat einen faktischen Fachkräftemangel, dennoch mangelt es nicht an Fachkräften. Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung ließen sich alleine in der Krankenpflege bis zu 378.000 Vollzeitstellen besetzen, wenn man das Personal wieder zurückholt, das aufgrund der Überlastung entweder dem Job ganz den Rücken gekehrt hat oder ihn nur noch in Teilzeit bewältigen kann.

In der Pflege gibt es einen Teufelskreis. Weil die Arbeitsbedingungen so schlecht sind, verlässt das Personal die Häuser, und die Arbeitsbedingungen sind so schlecht, weil es nicht genügend Personal gibt. Dieser Teufelskreis lässt sich nur dadurch brechen, dass massiv Personal eingestellt wird. Um dies zu erreichen, müssen die Krankenhäuser gezwungen werden, mehr Personal auf den Stationen einzusetzen; denn nur dann sinkt die Belastung und nur dann findet man überhaupt die nötigen Mitarbeiter.

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https://www.nachdenkseiten.de/?p=87282

 

 

 

Juli 22

 

 
Quelle: Multipolar
Der geplante WHO-Pandemievertrag und die geplanten Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften weisen den Weg in ein globales biomedizinisches Überwachungs- und Bekämpfungssystem von Gesundheitsbedrohungen. Doch im Verhandlungsprozess wird auch Kritik laut: Wozu überhaupt ein Pandemievertrag und warum immer mehr zentrale Kontrolle?
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Die dominante Global Health Security (GHS) Doktrin
Um die Prozesse und die Richtung, in die sie gehen, einzuordnen, sollte die Global Health Security (GHS) Doktrin Erwähnung finden. Die GHS-Doktrin hat bereits den letzten zehnjährigen Revisionsprozess (1995-2005) der Internationalen Gesundheitsvorschriften und damit viele der in ihr enthaltenen Regelungen bestimmt, und scheint nun die beiden Prozesse erneut maßgeblich zu leiten. Kurz zusammengefasst zielt der GHS-Ansatz auf die Reduzierung „biologischer Risiken“ ab, indem er Strategien der Biogefahren- und Bioterrorismusabwehr mit denen der öffentlichen Gesundheit verbindet.
Damit wird das Auftreten von Krankheitserregern nicht mehr ausschließlich als medizinisches sondern auch als sicherheitspolitisches Problem gedeutet. Unter den geltenden Internationalen Gesundheitsvorschriften kann beispielsweise ein „außergewöhnliches Ereignis“, das „durch die grenzüberschreitende Ausbreitung von Krankheiten eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit in anderen Staaten darstellt und möglicherweise eine abgestimmte internationale Reaktion erfordert,“ (7) vom WHO-Generaldirektor (8) als PHEIC, das heißt als globaler gesundheitlicher Ausnahmezustand bzw. Gesundheitsnotstand qualifiziert werden. Daraufhin kann der Generaldirektor, nach Beratung mit einem Notfallkomitee, den WHO-Mitgliedsstaaten zeitlich begrenzte medizinische und nicht-medizinische Gegenmaßnahmen empfehlen. (9) Obwohl nicht verbindlich unter den geltenden Internationalen Gesundheitsvorschriften, sind die Staaten angehalten, diese Empfehlungen zu befolgen.
Die Idee dahinter ist, dass es sich beim Auftauchen einer neuen Virussequenz auch um einen absichtlichen Biowaffenangriff oder einen Laborunfall handeln könnte, denen nur mit militärischen Taktiken und Befehlsketten (10) begegnet werden könne, beispielsweise über Ausgangssperren, Kontaktverfolgung, Massenquarantäne auch für gesunde Menschen, Massentests, Massenimpfungen und strikte Informationskontrolle. (11)
Vertreter der GHS-Doktrin gehen von einer noch nie dagewesenen Häufigkeit globaler Gesundheitsbedrohungen (mit pandemischem Potenzial) aus, die trotz lokalem Auftreten die gesamte Welt bedrohen könnten. Dies wird der menschlichen Interdependenz mit der Tierwelt sowie Klimaveränderungen zugeschrieben und im „One Health“ Konzept (Mensch-Tier-Umwelt) gefasst. (12) Die Annahme ist, dass solchen Bedrohungen auch in Zukunft effektiv über von der WHO erklärte, globale Ausnahmezustände begegnet werden muss, um Gegenmaßnahmen zentral zu entwickeln und anzuordnen, und sie durch hierarchische Strukturen umzusetzen. Diese reichen von der WHO inklusive der über die letzten Jahre immer weiter ausgebauten Health Emergencies Programme, über regionale Institutionen wie die erst vor kurzem gegründete Health Emergency Preparedness and Response Agency (HERA) der EU, hin zu nationalen Gesundheitsbehörden und ‚resilienten‘ Gesundheitssystemen.
Insgesamt hat die Verbreitung der aus den USA stammenden GHS-Doktrin seit Anfang der 90-er Jahre, und insbesondere nach 9/11 und den Anthrax-Anschlägen, zu einer starken „Versicherheitlichung“ und Militarisierung von Reaktionen auf Krankheitsausbrüche geführt. Dies spiegelt sich auch in den weltweiten Reaktionen auf das Auftreten des Coronavirus im Januar 2020 wider, und kann an der Tatsache verdeutlicht werden, dass viele nationale Gremien zur Umsetzung von Covid-19 Gegenmaßnahmen durch hochrangige Militärangehörige (wie etwa in Deutschland, Indonesien und Österreich) geleitet wurden und werden.
Gesamtheitliche Ansätze des öffentlichen Gesundheitsschutzes, die primär auf lokale Lösungen, Freiwilligkeit, offene Kommunikation und demokratische Kooperation zwischen Bevölkerung und Gesundheitsbehörden setzen, wurden aus dem Diskurs um globale Gesundheit weitgehend verdrängt.
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https://multipolar-magazin.de/artikel/pandemievertrag-und-globale-ueberwachung

 

 

 

Das Gesundheitssytem muss selbst erstmal gesund werden!
Quelle: Nachdenkseiten/ Werner Rügemer
Die herrschende Krankheitspolitik. Sogar für den noch größeren Arbeitsaufwand wegen der Pandemie haben die Bundesregierungen, die Betreiber und Eigentümer von Krankenhäusern und Pflegeheimen keine Verbesserungen zugestanden. Ob die Bundesregierungen von CDU oder SPD, von Merkel oder Scholz geführt werden: Deren Gesundheits- beziehungsweise besser: deren Krankheits-Politik schließt viele Krankheiten aus und verursacht enorme gesundheitliche Schäden, im Gesundheitssystem selbst, in den Unternehmen, in der ganzen Bevölkerung.

1. Tod und Mangelernährung im Krankenhaus
Sogar die Gesundheit der Patienten selbst ist der von der Agenda 2010 (Schröder/SPD und Fischer/Grüne) eingeleiteten „Gesundheits“politik nicht unbedingt der oberste Wert. Die am Gewinn orientierte Fallpauschale begünstigt teure und zudem möglichst kurze Behandlungen. Folge: Die blutige Entlassung. Dabei wird aus Kostengründen die Hygiene in den Krankenhäusern vernachlässigt. Das Robert Koch-Institut schätzt, dass in deutschen Krankenhäusern jährlich 400.000 bis 600.000 Patienten mit multiresistenten Keimen infiziert werden. Dadurch sterben pro Jahr (vor Corona) etwa „10.000 bis 20.000“ Patienten. So genau will die „Gesundheits“behörde das nicht wissen, deshalb diese breite Schätzung. Immerhin wurde die frühere Schätzung von „10.000 bis 15.000“ Todesfällen nach oben korrigiert.[1] Das RKI dokumentiert das, mitleidlos, mal so nebenbei. Keinen „Gesundheits“minister oder Chef-Virologen rührt das.

Zum kaputtgesparten Bereich gehört das Essen für die Patienten und Pflegeheimbewohner. Das Catering ist meist ausgelagert in Billigfirmen: Die sparen nicht nur an den Löhnen und Arbeitsbedingungen, sondern auch am Essen. Bis auf 2,50 Euro pro Tag wird heruntergespart. Die Mangelernährung verschlechtert zudem vielfach die Gesundungsaussichten, vor allem bei Menschen, denen Verwandte und Freunde kein zusätzliches gesundes Essen bringen.[2]

2. Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten im Gesundheitsbereich
Auch die Gesundheit der Beschäftigten in den Krankenhäusern und Pflegeheimen ist kein Leitwert in der herrschenden Gesundheitspolitik. Erkrankungen der Rücken-, Schulter- und Armmuskulatur und der Lunge, Infektionen, Erschöpfungszustände, psychische Erkrankungen: Pflegekräfte haben im Vergleich die meisten Krankheits- und Fehltage. Dies betrifft neben den regulär Beschäftigten vor allem die immer mehr prekär ausgelagerten Niedrigstlöhner, und eben auch diejenigen, deren Tätigkeit hygienisch relevant ist, etwa die Putzkräfte, die Caterer und die innerhäusigen Bettenschieber.

3. Berufskrankheiten – gibt’s die überhaupt noch?
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4. Übergewicht in Europa hat epidemische Ausmaße
Die WHO hat festgestellt: In Europa hat sich Übergewicht/Fettleibigkeit zu einer Epidemie entwickelt. In den letzten 30 Jahren nahm das stetig zu, beginnend schon im Kindesalter. Und Übergewicht ist Mitverursacher von erhöhten Todesfällen wegen Krebs, Diabetes, Fettleber. 13 % der gegenwärtig 1,2 Millionen Todesfälle in Europa werden dadurch verursacht. Und Übergewichtige waren bei Corona besonders anfällig. Haben sich darum ein deutscher Gesundheitsminister, das RKI oder die EU-Kommission je gekümmert?
Ursache sind die von der herrschenden „Gesundheits“politik nicht beanstandeten industriellen Billig-Massennahrungsmittel und -Getränke, mit zuviel Zucker bzw. Fett und Salz und sonstigen chemischen Zusätzen und Geschmacksverstärkern, die aber mit Duldung der Gesundheitsbehörden nicht wirksam ausgewiesen werden. Ursachen sind auch stundenlanges Sitzen beim Videospielen und digital vermittelte Billigessens-Lieferungen. Die EU und die deutschen Regierungen lehnen alle von der WHO vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen ab.[4]

5. Beschäftigte und Patienten krank – Investoren gesund
Ein besonders aktiver Krankheitspolitiker ist seit zwei Jahrzehnten übrigens Karl Lauterbach. Das langjährige CDU-Mitglied hat mithilfe der Konrad-Adenauer-Stiftung an der privaten Elite-Universität Harvard in den USA seinen Doktortitel gemacht. Dabei hat er die dort vorherrschende Gesundheits-Ökonomie der USA in sich aufgesogen, also die Ökonomie des teuersten und asozialsten Gesundheitssystems weltweit.[5]
Diese Gewinn-Ökonomie ist nur für die privaten Investoren gesund – für Patienten und Beschäftigte, Kinder und Rentner ist sie ungesund bis tödlich. Diese Gewinn-Ökonomie hat Lauterbach aus den USA nach Deutschland importiert. Er wurde sofort zur Agenda 2010 der SPD/Grünen-Bundesregierung herangezogen, trat in die SPD ein. Er betrieb als Regierungsberater die Fallpauschale und die Privatisierung der Krankenhäuser. Und auch für die Privatisierung der Renten setzte er sich ein – die Riester-Rente wollte er sogar zur Pflicht machen.
Im Aufsichtsrat des Universitätsklinikums Gießen-Marburg betrieb er dessen Privatisierung, die einzige Privatisierung eines Uniklinikums, mit Personalabbau und Auslagerung zu Billigfirmen, mit katastrophalen Folgen, aber zugunsten des privaten Eigentümers, der privaten Kette Rhön-Klinikum, jetzt Asklepios.
Mit der Bertelsmann-Stiftung tritt er für die Schließung möglichst vieler Kliniken ein. Und der Aufkauf nicht nur von Pflegeheimen, sondern auch von Arztpraxen und mobilen Pflegediensten durch private Investoren läuft jetzt auf Hochtouren, unter der schützenden Hand und dem komplizenhaften Schweigen des Gesundheitsministers.
Mehr Personal, bessere Arbeitsbedingungen, bessere Hygiene und gesundes Essen in Krankenhäusern und Pflegeheimen, Aufsicht über die Gefahren am Arbeitsplatz, öffentlich und politisch verantwortete Gesundheitsfürsorge – nicht mit Lauterbach, seit zwei Jahrzehnten.

6. Unter- und Nicht-Versorgung von Krankheiten
Mit der Fallpauschale und der Privatisierung von Krankenhäusern und Renten war und ist – auch in Gestalt von Lauterbach – ebenso die „Reform“ der Krankenversicherung verbunden. Vorbild USA: Die Beiträge der Beschäftigten zur Krankenversicherung bleiben hoch, aber die Leistungen nehmen ab.
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7.„Gesundheitsstadt Berlin“
Im Auftrag des SPD-geführten Berliner Senats leitete Lauterbach die Kommission „Gesundheitsstadt Berlin 2030“. Das ist eine verschärfte Version der Agenda 2010 für den Gesundheitsbereich.
Ergebnis der Kommission im Jahre 2019: Das größte deutsche Klinikum, die Charité, soll mit dem kommunalen Krankenhaus- und Pflegekonzern Vivantes zusammengelegt werden. Die Charité ist zwar äußerlich noch in öffentlicher Hand, aber innerlich so durchprivatisiert wie kein anderes Klinikum: Über ein Dutzend ausgelagerte Billiglohnfirmen auf der einen Seite (Charité Facility Management, CFM), auf der anderen Seite das nach Harvard-Vorbild gegründete Berlin Institute of Health, finanziert vom Multimilliardärs-Clan Quandt (BMW-Hauptaktionäre) und der Stiftung des Digital-Multimilliardärs William Gates.
In die Holding der „Gesundheitsstadt Berlin“ sollen aber nach Lauterbach & Co. auch alle weiteren Einrichtungen in Berlin eingegliedert werden, die irgendetwas mit Gesundheit zu tun haben: Max-Planck-Institute, Rotes Kreuz, Deutsches Herzzentrum, das Unfallkrankenhaus der Berufsgenossenschaften, 14 private Krankenhäuser. Dabei soll die Charité mit Virologie- und anderer Forschung zur Weltspitze mit Harvard aufschließen, während unten bei Vivantes die unsichtbare und ungesunde Alltagsarbeit verrichtet wird.
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Bilanz: Wir müssen gesamtheitlich herangehen
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Die vorherrschende Gesundheitspolitik, verkörpert im zuständigen Minister Lauterbach, macht die privaten Investoren gesund, aber macht die Mehrheit der Bevölkerung in vielfältiger Weise krank. Und das wird mit der gegenwärtigen Sanktions-, Energie- und Aufrüstungspolitik noch gefährlicher.
Das müssen wir zusammensehen und neue Bündnisse für eine allgemeine Gesundheitspolitik bilden. Deshalb: Alle Gewerkschaften müssen ran, Betriebsräte und Ärzte und medizinische Wissenschaftler, Frauengruppen, Patientenorganisationen, Wohlfahrtsverbände und alle demokratischen Kräfte. So können wir Potentiale für Widerstand und Alternativen erschließen, für eine umfassende Gesundheitspolitik, denn Gesundheit ist ein Menschenrecht.

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https://www.nachdenkseiten.de/?p=85420

 

 

Juni 22

 

 

Praxis Dr. Heuschrecke. Wie Finanzinvestoren über das Gesundheitswesen herfallen.

Quelle: Nachdenkseiten

Private-Equity-Fonds kaufen seit Jahren und verstärkt noch durch die Corona-Krise massenweise Arztsitze auf und wandeln diese zu dukatenscheißenden Profitcentern um. Vorneweg in der Augen- und Zahnmedizin bringen sich immer mehr investorengetragene Medizinische Versorgungszentren in Stellung, die das Solidarsystem mit überhöhten Honoraren und überteuerten Zusatzleistungen plündern, die als Rendite in Steueroasen landen. Die Bundesregierung weiß schon sehr lange von den Machenschaften, unternimmt aber nichts dagegen. Aus der Warte der Patienten wirkt das wie unterlassene Hilfeleistung, aus Sicht der Profiteure wie tätige Mithilfe.

https://www.nachdenkseiten.de/?p=84478

 

 

Mai 22
 
 
Quelle: junge Welt
Kapitalismus ist lebensgefährlich. Investoren wollen für ihre Beteiligungen an Kliniken, Praxen und Pflegeheimen hohe Profite erzielen, auf Kosten von Kranken und Personal. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, warnte am Dienstag vor weiter wachsendem wirtschaftlichen Druck auf die Patientenversorgung. Preiswettbewerb, Kosteneffizienz und Renditestreben bestimmten mehr und mehr den Alltag in der Medizin, sagte er am Dienstag beim Deutschen Ärztetag in Bremen.
Ärzte würden von Klinikträgern und Finanzinvestoren bei Medizinischen Versorgungszentren zunehmend angehalten, in rein betriebswirtschaftlichen Dimensionen zu denken und nach kommerziellen Vorgaben zu handeln. »Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Gesundheitssystem in ein profitorientiertes Franchisesystem umgewandelt wird. Und wir wollen auch keine industriegleichen Abläufe in der stationären Versorgung«, sagte Reinhardt. Der Einfluss von Finanzinvestoren auf ambulante Einrichtungen müsse gesetzlich eingedämmt werden.
Finanzunternehmen sehen hingegen noch großes Kürzungspotential.
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Ein System wird krank gemacht

 Der Arzt und FR-Kolumnist Bernd Hontschik kritisiert seit Jahren, in Kliniken sei der Gewinn wichtiger als die Qualität der Versorgung. In seinem aktuellen Buch beschreibt er, wie Politik und Pandemie die Probleme verschlimmert haben. Ein Auszug

Quelle: Frankfurter Rundschau
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Die Privatisierung als Destruktionsprozess ist an den Veränderungen des Gesundheitswesens, wie sie hierzulande in den letzten drei bis vier Jahrzehnten geschehen sind, am deutlichsten zu erkennen. Diese Destruktion geschieht in ganz kleinen, fast unmerklichen Schritten, weswegen sie in der Öffentlichkeit kaum zu erkennen ist. Aber sie geht immer in die gleiche Richtung, das ist das Gefährliche daran. Die Protagonisten sagen unaufhörlich, sie sei alternativlos. Die Digitalisierung zum Beispiel sei alternativlos, aber verschwiegen wird, welche Art von Digitalisierung hier erzwungen wird – als ob es nur eine Art gäbe. Die Privatisierung sei alternativlos, weil nur der Markt für bessere Zustände sorgen könne, aber verschwiegen wird, für wen diese besseren Zustände gedacht sind. Und die Kommerzialisierung sei alternativlos, da dringend neues Kapital im Gesundheitswesen gebraucht würde.

 Verschwiegen wird, dass der katastrophale Mangel an Investivkapital allein darauf beruht, dass ausnahmslos alle Bundesländer seit Jahren und zunehmend ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nachkommen, die Krankenhäuser in ihrem Bestand ausreichend zu finanzieren. Verschwiegen wird, dass das Gesundheitswesen mit diesem neuen Kapital nicht mehr dasselbe ist, sondern automatisch zu einem Teil des Wirtschaftssystems wird.
 Das Gesundheitswesen war bislang ein Teil unseres Sozialsystems. Die Sozialgesetze, nach denen es funktioniert hat und zum Teil immer noch funktioniert, sind zum großen Teil über 120 Jahre alt. Vor wenigen Jahrzehnten erst setzte die scheibchenweise Deformation ein, sozusagen eine Art kleinschrittiger Entdeckung des Gesundheitswesens durch den Kapitalismus, die zentripetale Expansion. Aus dem Gesundheitswesen wird die Gesundheitswirtschaft
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 Im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie ist nach dem Übergang vom Gesundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft jedoch ein weiterer großer Schritt vollzogen worden: Dem Gesundheitswesen wurde eine politische Aufgabe zugeordnet, um es zur Ausübung politischer Macht zu gebrauchen. Die hat inzwischen eine neue Dimension erreicht, eine Dimension, die man bisher nur aus mehr oder weniger hellsichtigen Science-Fiction-Romanen kannte. Im Zeichen der Corona-Pandemie wurden sämtliche ehernen Grundsätze des Gesundheitswesens und der Humanmedizin gebrochen. Die „Überlastung unseres Gesundheitswesens“ als Horrorvision wurde zur „alternativlosen“ Begründung für einschneidende Maßnahmen in jeden Alltag, von der Kinderkrippe bis zum Altersheim. Grenzen wurden geschlossen. Die Wohnung wurde zum abgeschotteten Ort der Berufsausübung, der Arbeit, des Kindergartens, der Schule und des Privatlebens gleichzeitig – kein Entrinnen.

 Und die Wissenschaft erlebte ihr Waterloo, besonders die medizinische, indem ihre Aussagen je nach Bedarf richtig oder falsch zitiert, hervorgehoben oder verschwiegen wurden. Ein Diskurs fand und findet nicht mehr statt. Alles andere als der Lockdown konnte nicht mehr begründet, geschweige denn diskutiert werden. Atemmasken waren anfangs schädlich, dann sinnlos, plötzlich Mangelware, aber dann überall vorgeschrieben. Darüber entschieden haben Politiker:innen. Nicht genehme Wissenschaftler:innen und Berater:innen wurden aus Gremien ausgeschlossen und nicht mehr angehört. Damit hatten sie auch jede weitere Teilnahme an der medialen Kakophonie verwirkt, insbesondere an Talkshows, wo Abend für Abend fast immer die gleichen Gäste ihre fast immer gleiche apokalyptische Botschaft verkünden konnten.
 Die neuen Impfstoffe, die schon ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie zur Zulassung bereitstanden, wurden von der einzig qualifizierten Ständigen Impfkommission nicht mit der üblichen Ruhe und Sorgfalt beurteilt und geplant, sondern es kam unter ungeheurem Druck von Politiker:innen zu sogenannten Notfallzulassungen – ein bislang nicht bekannter Begriff.
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 Deswegen genügt es nicht mehr nur, den schon weit beschrittenen Weg vom Gesundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft kritisch zu beschreiben, sondern der nächste, um ein Vielfaches bedrohlichere Schritt von der Gesundheitswirtschaft zur Gesundheitsherrschaft ist längst und unbemerkt Realität geworden. Er kann nicht mehr ignoriert werden. Oder wie der Jurist und Autor Heribert Prantl sagt: „Aus dem Ausnahmezustand wird ein Normalzustand, aus den Notregeln werden Normalregeln. Das ist unnormal, unstatthaft und gesellschaftsschädlich.“
 https://www.fr.de/panorama/ein-system-wird-krank-gemacht-91527797.html